Übersicht
Wenn man sich mit Kräutern beschäftigt, wird einem schnell die Nützlichkeit vieler Arten bewusst, von denen uns von Kindesbeinen an beigebracht wurde, dass wir sie möglichst fern von unseren Gärten halten sollten. Denn was hilft bekannterweise gegen Brennnessel und Giersch in den Beeten? Natürlich Essen.
Dass sich dabei der Name “Unkraut” allerdings nur auf Pflanzen bezieht, die in der planenden und arbeitenden Menschenwelt nicht zielführend sind, war schon zur Zeiten Jacob und Wilhelm Grimms klar. So heißt es z.B. in ihrem Deutschen Wörterbuch:
“Im Walde ist gar kein Unkraut, weil der Herr jedes Unkraut liebet”
Etymologie
Der Begriff “Unkraut” stammt ursprünglich aus dem althochdeutschen Wort “uncrūt“ (8.Jh.) und stand in Verbindung mit dem Wort “ratio”, auch “rate”, welches tatsächlich mit dem Wort „Ratte“ verwandt sein könnte. Konrad von Megenburg, ein mittelalterlicher Schriftgelehrter aus dem 14. Jahrhundert, verwendete sogar eine Kombination aus beiden, nämlich “unrat”.
Leider ist die Aussage dieses Wortes gar so überspitzt, wie es uns heute erscheinen mag. Die Wahrnehmung gewisser Pflanzen als Unkraut ist eng verbunden mit der Entstehung des Ackerbaus. Hier in Europa seit 5000 vor Chr.
Damals hatten die Menschen auf ihren Äckern ziemlich zu kämpfen. Denn nicht nur die nützliche Brennnessel oder Arten des Schachtelhalms (Bild: Rechts) siedelten sich auf ihren Feldern an, sondern auch recht giftige, wie z.B. die heute sehr selten gewordenen Konrade (Bild: Mitte links).
Vom Taumellolch und Mutterkorn
Besonders bedrohlich war damals die Verunreinigung von Getreide mit dem Taumellolch (Bild: Links) oder dem bekannteren Mutterkorn (Bild: Oben rechts). Ersterer verursacht Sehstörungen, Schwindel und Muskelzittern, letzteres ist ein Pilz, dessen Sklerotium einem dunklen, meist übergroßen Getreidekorn gleicht und der sich vor allem in regenreichen Sommern in Roggen und Weizenfeldern entwickelt. Wenn auch das Mutterkorn teils heilkundlich angewandt wurde (z.B. zur Abtreibung), führte der Verzehr von Brot aus dem damit verunreinigten Getreide weniger zu besonders intensiven LSD-Trips (Entdeckung durch Albers Hofmann 1938), als zum sogenannten Ergotismus. Auch “Antoniusfeuer”, „Kribbelkrankheit“ oder ”Tanzkrankheit” genannt. Das Mutterkornalkaloid Ergotamin verursacht bei Verzehr Durchblutungsstörungen. Es entsteht ein sehr schmerzhaftes brennendes Kribbeln, das Bewegungszwang hervorruft und zum Absterben der Glieder führen kann. Jahrhundertelang war diese Krankheit daher weit gefürchtet und oft wurde die Hinwendung zum heiligen Antonius als einziges Heilmittel angesehen. Ein kunsthistorisches Zeugnis und ehemalige Pilgerstätte für Betroffene war z.B. der Isenheimer Altar im Antoniterkloster in Issenheim, auf dem der heilige Antonius abgebildet ist. Erst in den letzten 200 Jahren konnte der Zusammenhang genauer erforscht werden.
Heutzutage versucht man stattdessen oft den Namen Unkraut zu ersetzen und spricht von „Beikraut“, „Wildkraut“ oder „Kulturpflanzenbegleitern“. In der Forstwirtschaft dagegen wird auch der Begriff “Begleitwuchs” verwendet.
Madeline Cords
Lesetipp:
›Unkraut‹ in: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen | DWDS
Birkhan, Helmut: Pflanzen im Mittelalter, Eine Kulturgeschichte, Wien 2012 .
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