Kräuter im Porträt: Echtes Johanniskraut

Übersicht

Hypericum perforatum - Das magische Sonnenkraut

Wenn der Tag den Sieg über die Nacht feiert, wenn er ihr zeigt, wer die Herrschaft am Firmament hat, dann, ja dann, strahlt auf Magerwiesen, an Wegrändern oder auch auf Kahlschlägen ein magisch gelbes Kraut: Das Echte Johanniskraut, Hypericum perforatum. Es wird bis zu einem Meter hoch. Am oberen Ende verzweigt sich der Stängel buschig, darauf sitzen die Blüten in Trugdolden. Ihre Kronblätter sind einseitig gezähnt und am Rand schwarz punktiert. Die Blätter sind länglich eiförmig und durchscheinend getüpfelt. Will heißen: Wenn man sie gegen Licht hält, erkennt man die Schatzkammern der Pflanze, die Öldrüsen (die auch in anderen Pflanzenteilen vorhanden sind, vor allem in den Blüten).

Echter Eibisch

Wann geht’s ins Kräuterkörbchen?

Es hält sich hartnäckig die Behauptung, am 21. Juni, dem Johannistag, wären die Wirkstoffe in der Pflanze am stärksten. Es wäre natürlich vermessen, etwas abzustreiten, was seit Jahrhunderten als wahr gilt. Aber selbständiges Überlegen schadet ja nicht. Wenn man bedenkt, dass das Wetter doch in jedem Jahr anders ist und es in der Geschichte sogar schon 21. Junis gegeben haben soll, an denen es geregnet hat, dann freuen wir uns doch einfach auf die heilbringenden Wirkstoffe in der ganzen Blütezeit des Krauts. Und die erstreckt sich ungefähr von Juni bis September.

Echter Eibisch

Was und wie beim Sammeln und Trocknen

Man verwendet das gesamte oberirdische, blühende Kraut. Die Pflanze hat nämlich ihre Wirkstoffe überall verteilt – die einen mehr in den Blüten, die anderen eher in den Blättern und auch im Stängel finden wertvolle Stoffe. Beim Johanniskraut (und vielen anderen Pflanzen) ist es wie meistens im Leben: Gemeinsam entfaltet man ungeahnte Wirkmechanismen und Stärke. Wer möchte, nennt das den synergistischen Effekt.

Die Pflanze kann in kleinen Bündeln an der Luft getrocknet werden. Auf keinen Fall in der Sonne, stattdessen am besten in einem sehr gut belüfteten, dunklen Innenbereich. Ist sie rascheltrocken, kann man sie rebeln, die Stiele kleinbrechen oder mit einer Kräutermühle zerkleinern. Alles abfüllen in ein dunkles, luftdichtes Gefäß. Beschriften nicht vergessen. Mit den „luftdichten, dunklen Gefäßen“ ist das manchmal so eine Sache – wer hat davon schon ausreichend zu Hause? Wenn der Tee in einem dunklen Schrank gelagert wird, ist er auch in einem helleren Glas gut aufgehoben. Der Kreativität für den Lichtschutz sind auch keine Grenzen gesetzt. Wir haben mal von Menschen gehört, die ihre hellen, mit Tee gefüllten Gläser in (unbenutzte 😉) schwarze Hundetüten gehüllt haben. Gummi drum, Etikett dran, zack, fertig ist das dunkle Glas.

Echter Eibisch

Schön und gut – Heilwirkungen

Natürlich hat sich auch die moderne Wissenschaft mit dem Pflänzchen auseinandergesetzt. Und siehe da, man bestätigt folgende Wirkungen ganz offiziell:

Als Tee, Tinktur oder Fertigpräparat aus der Apotheke:

Langfristige Behandlung leichter Depressionen, Unruhezustände und Ängste

Als Ölauszug (Rotöl) und daraus hergestellter Salbe:

Das Öl wirkt antimikrobiell, schmerzlindernd und entzündungshemmend. Es kommt bei Rheuma, als Wundmittel, bei Verbrennungen 1. Grades und Nervenschmerzen zum Einsatz. Ein Klassiker ist der Hexenschuss – der tut einfach noch mehr weh, wenn man kein Rotöl im Hause hat!

Für Massagen zum Wohlbefinden an Leib und Seele:

Das Öl kann als wunderbares Medium bei Massagen eingesetzt werden, die Verspannungen lösen sollen. Auch zur Dammmassage unmittelbar vor der Geburt ist das Öl ganz wunderbar geeignet. Was wäre auch schöner für ein Neugeborenes, als vom Sonnenkraut höchstpersönlich in Empfang genommen zu werden?

Echter Eibisch

Hergehört und aufgepasst!

Präparate (auch Tee und Tinkturen) können die Wirkung der „Pille“ beeinträchtigen. Und auch nicht anwenden nach Transplantationen und bei gleichzeitiger Anwendung von

Cumarin-Präparaten

Digoxin-Präparaten

Immunsuppressiva.

Achtung, Trittbrettfahrer:innen!

Die Familie der Johanniskrautgewächse ist groß. Eine Individuen sehen sich ziemlich ähnlich – schade für die Sammlerin /den Sammler – denn die mit Abstand größte Heilkraft hat das echte Johanniskraut, auch Tüpfeljohanniskraut genannt.

Bei der sicheren Erkennung hilft der Stängel, denn nur bei dieser Art hat er zwei Leisten und ist ausgesprochen fest. Der Stängel ist mit Mark gefüllt, das kannst du an der Schnittstelle erkennen. Auch damit können andere Arten nicht aufwarten. (Fester Stängel: Eine Schere ist ein super Werkzeug bei der Ernte von Johanniskraut) Die Blüten sehen sich ähnlich – am besten, du nimmst ein Bestimmungsbuch und eine Lupe mit zum Sammeln. Aber das ist ja eigentlich immer eine gute Idee.

Sagenumwobenes Lichtrad

Am 21. Juni ist der Tag länger als die Nacht, die Sonne hat ihren höchsten Stand erreicht. Seit uralten Zeiten, lange vor der Christianisierung, feierten die Menschen diesen Tag mit fröhlichen Tänzen und Ritualen. Beim Tanz um das Sonnenwendfeuer trug man Kränze aus Johanniskraut.

Aus diesen längst vergangenen Zeiten ist überliefert, dass die Pflanze als Sonnenspeicher galt, erinnerten die gelben Blüten die Tänzer doch an das heilige Symbol der Druiden, den Fünfstern. Die Christen entschieden sich später, in der Blütenanzahl fünf die Wundmale ihres Herrn zu sehen.

Eine Vielzahl an Geschichten und Legenden rankt sich um das Johanniskraut. So glaubte man wohl früher auch, wer bei Gewitter etwas von dem Kraut auf den Herd streut, wird das Unwetter los. Angeblich hat jemand eine Stimme vom Himmel hoch gehört, die rief:

„Ist denn keine alte Fraue, die kann pflücken Hartenaue (Johanniskraut) dass sich das Gewitter staue?“

Nicht zu vergessen und ganz wichtig für unseren Workshop „Hexen, Salben, Zaubersprüche“ – man schrieb dem Kraut auch dämonenabwehrende Kräfte zu. Wer also so ein Kräutlein zum Beispiel in einem Amulett bei sich trug war fein raus, wenn die Dämonen des Wegs kamen.

Prominenter Fan: Paracelsus

Das Johanniskraut zählt einen Prominenten zu seinen Bewunderern: Paracelsus. Schon vor 450 Jahren setzte er das Kraut gegen Depressionen ein. Und so beschrieb er die Krankheit:

„phantasma, eine Krankheit ohne ein corpus und Substanz, sondern allein im Geist der Contemplation wir ein anderer Geist geboren, von welchem der Mensch regiert wird.“ 

(Paracelsus, Wkre Bd. I, „Medizinische Schriften“)

Dass Depressionen „allein im Geist der Contemplation“ ihren Ursprung haben, sieht man heute anders. Gleich dagegen bleibt die heilsame Wirkung des Johanniskrauts.

In die Sonne halten oder nicht?

Lange ging man davon aus, dass die Verwendung von Johanniskraut uns Menschen empfindlicher gegenüber Sonneneinstrahlung macht. Diese Annahme hatte zwei Gründe:

  1. Reagieren Tiere, die auf der Weide stehen und viel Johanniskraut fressen, tatsächlich mit deutlicher erhöhter Sonnenempfindlichkeit.
  2. Kann es in sehr seltenen (!) Fällen als Nebenwirkung auch bei Menschen dazu kommen.

Im Allgemeinen gibt es also kein Problem, sich in der Sonne aufzuhalten, wenn man Johanniskraut nimmt. Wer allerdings wahrnimmt, dass die eigene Haut doch reagiert – ab in den Schatten und die nackte Haut mit Bekleidung bedecken.

Ganz im Ernst und kurz und knapp

Inhaltsstoffe:

Hypericine, Hyperforin, Flavonoide, Gerbstoffe, wenig ätherisches Öl

Wirkungen:

Mild antidepressiv, angstlösend, stimmungsaufhellend, Als Öl: wundheilungsfördernd, entzündungshemmend, durchblutungsfördernd, antibakeriell

Indikationen:

Psychovegetative Störungen, leichte bis mittelschwere depressive Verstimmungen, Angstzustände, nervöse Unruhe

Weitere Indikationen

in der Volksheilkunde:

Reizblase, nervöse Blase, Wechseljahresbeschwerden, Verletzungen, Muskelerkrankungen

Darreichungsformen:

Tee, Tinktur, Trockenextrakt, Fluidextrakt, Frischpflanzenpresssaft (wirksamer als die getrocknete Pflanze), Öle, Fertigpräparate

Nebenwirkungen:

Sehr selten Fotosensibilisierung

Kontraindikationen:

Schwere depressive Episoden.

Bei erhöhter Dosierung ab ca. 900 mg sind Wechselwirkungen mit verschiedenen Medikamentenwirkstoffgruppen wie Immunsuppressiva, Psychopharmaka, HIV-Medikamenten, Herzmedikamenten, Zytostatika, Gerinnungshemmern, Lipidsenkern, Schlafmitteln und oralen Kontrazeptiva möglich. Hier ist eine Rücksprache mit der Ärztin dringend geboten.

Chritine Ilić 

 

DisclaimerAlle unsere Beiträge und Tipps sind sorgfältig aus zuverlässigen Quellen recherchiert. Die Anwendung bleibt jedoch in der Verantwortung jedes/jeder Einzelnen.

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